Tourberichte
2015

  • Pfarrer Franz

    "Der verheißene Regen, der erwartete, der ersehnte" von Pfarrer Franz

    Mit dieser Ehrung für die Helfer der Tour, insbesondere für die Verpflegungsmannschaft, begann ich die Tour. Ich hatte dieses kleine Lied zur Würdigung ihres Einsatzes gedichtet und ein paar Exemplare mitgebracht, die ich an den Verpflegungsständen persönlich überreichen wollte. Der Text richtet sich zwar vorerst an die Frauen, ist aber pars pro toto für alle gemeint. Mit Komplimenten ausdrücklich an die fleißigen Männer hatte ich auf der Tour wenig Glück. Doch davon später.

    Zwar fuhr ich nur als Vorletzter über den Startstreifen, aber definitiv war ich diesmal der letzte, jedenfalls bis zum Hundsmarter, wo die Radler aus dem Friedrichsgrund kommen. An allen Kreuzungen, Abbiegungen und Hindernissen, wo Streckenposten postiert waren, konnte ich diese frohe Botschaft ausrufen: “Ich bin der letzte!“ Vergangenes Jahr wurde ich ja von jedem bange gefragt, ob ich denn endlich der letzte sei, denn sie harrten geduldig in der bärischen Kälte aus und hatten wahrscheinlich alle schon Frostbeulen und schlimmere Schäden. Damals war ich eben nicht der allerletzte. Das konnte ich dieses Jahr nachbessern. Und die Freude war bei ihnen groß, diesmal nicht wegen der Frostbeulen sondern wegen des Regens. Vielleicht waren ihnen die 17° C auch nicht so angenehm wie mir. Sie standen da, schon Stunden, gut verpackt in Regenplanen oder warm angezogen unter Regenschirmen, während ich mich halbnackt im größten Regen an ihnen vorbei warm radelte. Diese frohe Kunde, dass ich der letzte sei, hatte sich über die Tour so verfestigt, dass ich auf dem Gipfel sagen hörte: „Der Pfarrer Franz ist rein, der war der letzte.“ Da ich aber nicht mehr durch den Friedrichsgrund und zur Mittweida fahren konnte, war ich nur noch einer der vorletzten. Ordnungsgemäß wurden die wirklich letzten noch erfasst. Soweit schon mal der Blick über die Ziellinie.

    Annaberger Straße – Hüttenbachgrund – ein unglaubliches Tempo entzog den Tross meinen Blicken. Ich sah die fröhlich bunte Schar so richtig nur in der Kurve unter der Bimmelbahn hindurchziehen. Schon der bunte Zug hinauf zum Waldeck war für mich nur noch zu ahnen als ich endlich auf den Scheitelpunkt vom Sparingberg geklettert war. Zwar hatten noch zwei Terilnehmer gemeinsam mit mir die Vierenstraße angetreten. Aber ich sah sie über den Scheitelpunkt hinwegwippen, wo ich noch auf halbem Berg strampelte. Am Scheitelpunkt standen auch die ersten Reifenflicker. Doch die zogen bald souverän an mir vorbei. Ein zweiter, ein dritter ebenso. Insgesamt zählte ich nur sieben. Es sollen mehr gewesen sein, erzählten mir andere. Bis ich vorbeigezuckelt kam, saßen sie schon wieder auf dem Rad.

    Dass mir die Abfahrt vom Bärenfangweg erspart geblieben ist – welch ein Anfangsglück. Mir gefiel diese neue Streckenführung sehr. Sie sollte man beibehalten. Zwar hatte die Eisenbergstraße ein paar üble Waschbretter, nun gut, wir wollten ja MTB – Mountainbike –und nicht Asphalt-Bike. Dafür war die Abfahrt hinunter zur Talsperre, diese schmale, graue, nahezu asphaltverdächtig.

    Die Temperaturen hatten sich für unsere Tour sehr gemäßigt. Ich gestehe, dass sie mir immer noch fast zu hoch waren. Argwöhnisch beobachtete ich mein Thermometer: denn immer wenn es bergauf ging, zum Waldeck, zum Bärenstein, zum Pöhlberg, zeigte es stramme 19° C, dazu irgendwas Drückendes in der Luft. Ausgerechnet bergauf! In den Wäldern und bei den Abfahrten, die jeweils von leichtem Regen begleitet waren nur noch 17° C. Die 17° C schienen mir viel bekömmlicher, die Luft war dann auch entspannter. Dabei hatte ich doch die letzten zwei Wochen meine vier Trainingseinheiten bei nahezu 35°C absolviert, am Rochlitzer Berg, von der Mulde bis zum Gipfel, 190 m mit Steigungen bis zu 17%! Aber vielleicht war das der Fehler. “Wer zu spät kommt…“ werden meine Muskeln gesagt haben, also zu spät kommt zum Training und damit in die große Hitze, dem wollten sie nun nicht den Gefallen tun, für die Tour willig genug zu sein. Ich hatte arge Probleme, irgendwie in Fahrt zu kommen, also mit Kraft noch nach zu treten. Es ging nur so langsam, wie es langsam am Rochlitzer Berg bei 35° C gehen musste, denn da war wirklich nur das Vorsichtigste drin. Aber immerhin, die Muskeln zogen mich hoch, Hübel für Hübel, nur war ihnen partout nicht abzuringen, dass es in sieben Stunden zu geschehen hätte.

    Ungefähr 11.20 Uhr war ich endlich auf dem Bärenstein angekommen, man packte schon die Tische zusammen, 12.40 Uhr auf dem Pöhlberg und 13.45 Uhr auf dem Scheibenberg. Der Hundsmarter folgte mit 15.05 und am Pfahlberg war es gegen 16.00 Uhr (ohne Efraimshaus. Mein Jakob Gahler hat da leider umsonst auf mich gewartet. Schade, lieber Jakob, ich hätte mir gerne von Dir das Herzchen malen lassen… Nun denn: Hoffen auf nächstes Jahr!).

    Der verheißene Regen, der erwartete, der ersehnte – endlich tröpfelte es! Ich überlegte: Fiedler-Trikot aus oder Regenjacke an. Es war warm genug, also Trikot aus, denn die bloße Haut trocknet allemal schneller als ein nasses Trikot (was auch unter Regenjacke schweißnass geworden wäre). War das ein Vergnügen! Die milde Luft, dann die bloße Haut und das leichte Peeling vom Regen. Zunächst machte ich eifrigen Wechsel: vor Königswalde Trikot an um standesgemäß durch Ort zu fahren. Es tröpfelte nicht, also gab es keinen Grund, so nackig in der Öffentlichkeit zu radeln. Bei den ersten Tropfen auf dem Marktsteig sofort wieder aus, aber am Parkplatz bei den Butterfässern unter dem Gipfel vom Pöhlberg wieder an – mit der gleichen Rücksicht auf die städtische Öffentlichkeit. Dann behielt ich trotz Regen das Trikot an bis zu Himmlisch Heer. Dort hatte ich die Faxen dicke. Ich versenkte es bis auf Weiteres in meiner roten Fahrradtasche ohne Rücksicht auf Standespflichten und egal ob es tröpfelte oder nicht. Sogar auf der Scheibenberg musste mich so ertragen, wo doch Fiedler an dessen Fuß seinen Stammsitz hat! Der Herr Fiedler wird es mir nachsehen, ich trage es ja ohne Provision.

    Einer der Reifenflicker war mir treu. Er hatte schon zwei Mal flicken müssen. Ihm gelang es drei Mal in Folge, mir den letzten Platz am Verpflegungspunkt streitig zu machen. Das begann auf dem Pöhlberg. Startnummer 493, Herr Michael Furhert. Er traf kurz nach mir auf dem Pöhlberg ein und erfrischte sich, während ich mich in die Turmtoilette zur Erleichterung zurückgezogen hatte. Die Erleichterung war grundlegend, denn ich hatte von da an erstmalig so richtig Lust, mit Kraft in die Speichen zu treten, allerdings nicht nachhaltig genug. Ich schöpfte die vage Hoffnung, doch noch die Tour irgendwie durchzukriegen. Irgendwie.

    Ich trat von meiner Sitzung erleichtert vor den Turm und er lud er mich ein, ihm zu folgen. Da ließ ich ausnahmsweise mein Fiedler-Trikot trotz Regen an. „Immer der Regen!“ maulte er vor sich hin. „Grad hab ich die Regensachen ausgezogen!“ „Ist doch herrlich“ widersprach ich. „Die Leute sollten uns als die Regenbringer begrüßen und feiern!“ versuchte ich ihm die angenehme Seite rauszukitzeln. Er fand das gar nicht komisch. „Heute Abend, ja“ brachte er noch raus, dann war das Thema erledigt und er schon so viele Meter vor mir, dass man nicht mehr reden konnte.

    Ich wollte ihn nicht sofort verlieren, also nachtreten – ich spürte schon wieder die Mühe. Dass ich ihm nicht längere Zeit folgen konnte, war klar. Spätestens am Kirchsteig nach Sehma, wenn ich jeden Stein einzeln polierte und er über alle hinweg flog, wären wir getrennte Brüder gewesen. Aber uns trennte schon der Verkehr auf der B 95. Im Regen hatten sich die Streckenposten an der Alten Poststraße ins Auto zurückgezogen. Sie konnten uns auch nicht kommen sehen, wie früher, wo wir noch die Postraße von oben herunterradelten. Jetzt schossen wir aus dem Floßgraben so ziemlich vor ihre Autotür. Sie guckten uns verdutzt an, sprangen zwar auf, aber keine Chance, schnell rauszutreten und uns einzuweisen. Also mussten wir selber handeln nach der StVO. Michael, etwa 10 m vor mir, schwenkte ein, Autos noch in weiter Ferne. 10 m können über viel entscheiden, eben auch über unsere Trennung! Bis ich nachgerollt war, trafen sich die Autos von oben mit denen von unten genau vor meiner Nase. Ich hielt also vorschriftsmäßig an, um nicht Notbremsungen, Auffahrunfälle und Schlimmeres auszulösen, was einem gediegenen Autofahrer so richtig den Sonntag versauen kann. „Tschüss!!!“ rief ich Michael noch kräftig nach, was wohl im Verkehrslärm unterging und hoffte, ihn nie wieder zu sehen.

    Natürlich sind mir grundsätzlich alle Radfahrer sympathisch, im Besonderen die Teilnehmer der Hübeltour. Ich war ihm also nicht gram, dass er sein Tempo fuhr. Nein, ich hoffte für ihn, dass die Luft hielt! Leider sah ich ihn in Waltersdorf auf der Scheibenberger Straße am obersten Grundstück aufs Rad steigen. Den Autobastler, den ich dort werkeln sah, fragte ich: „Hier hat ein Radler gerastet?“ „Luft aufgepumpt!“ war die knappe Antwort. „Ach, der Ärmste!“ entfuhr es mir. Luft aufpumpen – das ging ganz gut mit dem Kompressor des Autobastlers. Gesegnete Ortslagen! Es war aber auch das letzte Haus im letzten Dorf, wo man Hilfe erhalten konnte, denn fortan ging es nur noch durch Wald und Flur. Ab jetzt waren wir ganz und gar auf die kompetente Tourbegleitung angewiesen, die sich auch gleich bewährte.

    Bleiben wir ein wenig auf der Scheibenberger Straße. Ich sah also über mir in einigem Abstand den Michael und als die Steigung nachließ und ich über die Steigungskrümmung blicken konnte, einen dritten Radler weiter draußen. Natürlich freute ich mich über diese rein optische Gesellschaft. Ich war der letzte. Aber doch in Sichtweite von Radlern! Das Bild änderte sich. Der Vorderste scherte an den Straßenrand aus, legte sein Rad bei Seite und zerrte sich den Rucksack vom Rücken. Ich kam näher und sah eigentlich pralle Reifen. Dennoch fragte ich: „Platten?“ „Nein!“, kam eine tränenerstickte Antwort, „Ich kann nicht mehr!“ Eine Maid stand da, erschöpft und ganz verzweifelt an sich und der Tour. Au weh! „Ach“, rief ich im Vorbeifahren, „bei mir ist es kurz davor!“ Das wird sie kaum getröstet haben, vor allem deshalb, weil es nicht stimmte. So was kann man in der Stimme nicht verbergen. Ich hatte Kraft genug, ich würde durchkommen. Ich war der letzte, das ja, aber das ist etwas anderes, als wenn man nicht mehr weiter kann.

    Der Scheibenberg überraschte uns in diesem Jahr mit Windstille: Kein Wind, kein Regen! Teilnahmslos lag der Basaltblock auf dem Feld und ließ uns um sich herumradeln. Danke! Also auch so kannst du! Meinen Freund Michael sah ich derweil hinter der Pitschhecke dahin ziehen. Dieser Sichtabstand ging mir verloren, weil ich eine kleine Standpause einlegen musste, aber diesmal nicht wegen zu viel Magnesium und deshalb war es auch nur eine von wenigen. Michael stand derweil bei der Reparaturbrigade unterm Scheibenberg. Aus! dachte ich, aber welche Freude, auf dem Gipfel traf er wieder exakt nach mir ein. Man habe ihm nachhaltig helfen können. Mein Gott, welche Freude! Hier sagte ich ihm, dass ich für ihn hoffte, was auch hieß, ihn nicht wieder zu sehen – aber der Tourverlauf wollte es anders.

    Ich war spät dran. Das hatte ich schon in Königswalde bitter zu spüren bekommen. All die fröhlichen Zujubler, die gewöhnlich unten in der ersten Kurve am Marktsteig schrien und winkten, die anderen, die auf der Bank am Berge mit der Ratsche saßen, hatten im Regen das Weite gesucht. Meine Freundin saß auch nicht mehr draußen, die mir früher mal Schokolade zugesteckt hatte und mir sogar mal eine Flasche Wein verehren wollte. Bei ihr zu klingeln, dazu war es zu spät. Der Pöhlberg war genauso frei gefegt von Publikum. Am Scheibenberg kam mir eine andere Freundin in der Serpentine mit dem Auto entgegen. Wenigstens sie hatte ausgehalten. „Franz, jetzt kommst du erst!“ Ich kannte diesen Ausruf von den vergangenen Jahren. Wir grüßten uns schnell an der heruntergelassenen Scheibe, ich steckte ihr mein Lied zu und weiter gings. Im Streckenabschnitt bis zum Fichtelberg hatte es ja noch nie Publikum gegeben, es sei denn man scheuchte ein Reh auf oder wie mir geschah, einen Hasen, vielleicht auch nur ein Wildkaninchen.

    Endlich kam wieder Regen, für kurze Zeit der richtige. Die Wolken feierten und taten das mit sanftem Grollen kund. Ich rief – oben ohne – das übliche Trostwort: „Ich bin der letzte!“ an all die planenverhüllten und schirmbedachten Einweiser und begann den Aufstieg auf den Rossbachweg, von allen gefürchtet, von mir in aller Ruhe durchgezogen. Der Bach rauschte! Woher der das Wasser hatte? Keine Ahnung. Und wie ich so den Rücken bog und Meter für Meter nach oben zog – seitwärts: wie rauschte es im Bach! – und auf den bloßen Rücken: wie prickelte es so erfrischend – Ach! Und dann über die letzte Steigungskrümmung – wen sehe ich da vor mir? Michael, Startnummer 493! Pralle Reifen, gottlob. „Krampf!“ „Ich sag Bescheid!“ rief ich und trat hurtig zu. Endlich am begehrten Mustopfstand! Und welch eine Gunst des Schicksals! Ein Mustopf, der allerletzte, war noch da! Wo ich doch das Mus so sehr mag! Ich hatte schon nicht mehr damit gerechnet, nach dem Motto, „wer zu spät kommt …“ „Das Mus ist aber schon kalt!“ „Macht nichts, im Magen hat alles 37° C!“ Michael traf ein mit eigener Kraft noch vor dem Besenwagen. Ich freue mich zwar nicht über seine Mühen und Pannen, aber ich habe ihn gerne neben mir gesehen. Da war ich wenigstens nicht ganz so einsam an den Ständen wie auf dem Bärenstein. Von nun an sah ich ihn wirklich nimmer wieder. Er war eine Viertelstunde vor mir im Ziel. Gratulation – und übrigens: ich würde mich doch sehr freuen, Michael, dich bei der nächsten Tour wieder zu sehen!

    Wie leicht sind Komplimente an die Frauen! An die Männer ging es schief, gleich jetzt am Besenwagen. Die Frage war: Efraimshaus oder nicht. Der Fall war eigentlich klar. Ich war auch froh, nicht den Mückenbachweg runter zu müssen – die zweite elende Abfahrt, die mir erspart blieb. Ich blödelte ein wenig herum, wohlmeinend ein Kompliment zu machen: „Gehorsam ist alles.“ Das ist so ein Slogan, mit dem wir bei Kirchens herumfrotzeln, denn das Ganze sehen wir positiv entspannt und können da unsere Späße machen. Der Mainstream der Bevölkerung denkt aber anders. Gehorsam ist Mist. „Gehorsam ist alles!“ Damit kam ich aber schlecht an. Ich wollte ihm doch nur humorvoll bedeuten, dass ich seine Autorität respektierte und sein sonntägliches Ehrenamt schätzte Vielleicht brauchen wir Männer doch poetischere Komplimente. Der zweite Fehlschlag in dieser Sache war nach der Tour. Auf dem Parkplatz bauten sie das Zelt ab und räumten auf, es war nach Sechs und Sonntagabend. Ich radelte über den Platz zur Sauna und bewunderte diesen Fleiß und Einsatz für uns. Mir fiel aber nichts Geistloseres ein, als zu ihnen rüber zu rufen: „N Abend! Noch fleißig, fein!“ „Is fei gar net fei!“ kam es gut erzgebirgisch zurück. Na ja, sie werdens schon nicht missverstanden haben. Vielleicht auch eine Art von uns Männern, Komplimente anzunehmen.

    Dafür klappte es bei den Frauen umso besser. Und das gab mir auch Kraft, mindestens bis zum Pfahlberg durchzuhalten, denn ich hatte ja eine Mission: ich wollte mein Lied persönlich überbringen. Es hat auch geklappt, gerade so. Auf dem Bärenstein nahmen sie es selber zu Gesicht, in Eile, weil es schon spät war, ebenso auf dem Scheibenberg. Aber auf dem Pöhlberg und am Hundsmarter wurde gesungen. Ein ganzer Chor stand am Pöhlberg plötzlich vor mir und vor dem Stand – ich kam kaum noch an die rettenden Bananen – und geführt von einem kräftigen Bariton sangen sie die Strophen. Am Hundsmarter taten sich die drei Frauen zusammen und schmetterten das Lied durch den Wald. Am Pfahlberg sang ich es selber noch einmal auf Wunsch einer einzelnen Helferin, die uns die Würste und Bananen feilbot. Leider hatte ich viel zu wenige Exemplare abgelichtet, um jedem Einzelnen eines zu geben. In Erinnerung hatte ich eine viel geringere Zahl an Helfern. Zum Beispiel auf dem Scheibenberg. Da standen doch vergangenes Jahr drei, höchstens vier Frauen in Pelzmänteln oder noch wärmer eingehüllt, harrten in der sibirischen Kälte aus, bis die letzten kämen. In diesem Jahr begrüßten uns Scharen junger Helferinnen, zwischen 15 und 20 an der Zahl, vermutlich auch in dieser Altersklasse. Prächtig! So viel junge hübsche Helferinnen – das begeisterte auch uns, wie Michael neben mir zu Protokoll gab: „Schon wegen Euch ist es ein Vergnügen, die Tour zu machen.“ Die Zahl der Liedzettel hatte ich völlig falsch kalkuliert. So musste ich sie vertrösten: Ablichten oder aus dem Bericht runterladen. Für sie schicke ich das Lied in einem eigenen Butten.

    Irgendwo auf der Tour, ich weiß nicht mehr wo, sprach mich einer auf das Lied an mit dem Bedauern, dass am Start doch kaum einer oder niemand mitgesungen hätte. In der Gaststätte auf dem Fichtelberg traf ich ihn wieder mit seinem Freund: „Ich habe den Refrain mitgesungen, aber eben alleine.“ Ich hatte keinen Massenchor erwartet, selber war ich ja auch ein wenig scheu gewesen, das so vor allen zu singen. Meine Quartiersleute hatten mich dazu ermutigt. „Sportler sind nun mal keine Musiker“ erklärte ich, „die besondere musikalische Begabung geht gewöhnlich nicht so oft mit der sportlichen einher. Mathematiker und Physiker wie Einstein mit der Geige und Max Plank mit dem Klavier haben schon eher mal solche Doppelbegabungen. Ich hatte schon im Fahrradclub in Zwenkau vergeblich versucht, die Bande zum Singen zu bringen, damals in den Neunziger Jahren. Weder meine eigenen noch fremde Lieder halfen.“ Umgekehrt bin ich ein Beispiel dafür, dass mir die sportliche Begabung nicht zur musischen gegeben ist. Ich folge nur meinem allgemeinen Bewegungsdrang. In der Schule brachte ich wenig zustande. Am sympathischsten war mir Bodenturnen, weil ich da nicht herunterfallen konnte und mehr auf Gestaltung als auf Leistung und Akrobatik ging. Mein Freund der Kantor pflegte zu sagen: „Grundsätzlich sind alle Menschen musikalisch. Der Beweis ist, wenn sie besoffen sind oder in der Badewanne liegen.“ Und in den Fußballstadien zeigt es sich auch…

    Vom Pfahlberg an fuhr ich wieder mit Fiedlertrikot. Der Anstand gebot es, denn nun fuhr ich in Damengesellschaft, Startnummer 112, Kathleen Uhlig. Selbstverständlich waren wir hier den Anweisungen „gehorsam“, denn die Zeit war vorbei, dass man über das Mittweidatal das Ziel noch pünktlich erreichen konnte. „Ich muss mir nichts beweisen!“ mit diesem Schlachtruf schwenkte Kathleen auf die Altpöhlaer Straße, ein ganzer Tross uns nach. Als ich versuchte, mich neben ihr zu halten, merkte ich, wie träge ich war. Selbst auf dieser nahezu geraden Strecke mit ganz geringer Steigung musste ich mich echt mühen, etwas kräftiger zu treten. Wir unterhielten uns sehr angenehm, bis wir an die Bächelhütte kamen. Kathleen erzählte davon, dass sie 2008 mitgefahren war und von ihren Erlebnissen einen Bericht geschrieben hätte. Leider finde ich in der Spalte „Tourberichte“ nur die Berichte zurück bis 2010. Ich wäre sehr interessiert, ältere Berichte einzusehen oder runterzuladen.

    An der Bächelhütte suchten wir nach dem Verbindungsweg zur Hirschpfalz. Ich führte sie mutig auf den Asphalt, genannt Sudetenweg, der wahrscheinlich zur Rollerstrecke gehörte und für uns doch verboten war. Folgerichtig kamen wir auch von innen an die Absperrung zur Hirschpfalz. Hätten wir anders fahren sollen, etwa bis zum Grenzübergang und dann die Asphaltstraße auf den Fichtelberg? Hier fehlten uns Schilder und Einweiser. Ich konnte mich auch nicht erinnern, dass in der Streckenbeschreibung im Internet ein Hinweis darauf gestanden hätte. Nun gut. Die Rollerstrecke hat unter uns nicht gelitten. Die Jungs hinter mir hörte ich die Hirschpfalz hinunter immer wieder stöhnen: „So viel bergab! Und das müssen wir alles wieder bergauf!“ Doch bergauf waren sie gar nicht so träge. Ein kurzer Aufenthalt an einem Busch – und schon war ich wieder allein unterwegs und sah die klagenden Jungs erst wieder im Ziel. Klappern gehört zum Handwerk. Und ich hätte auch ihr Tempo in der Steigung nicht mithalten können.

    Der letzte Aufstieg auf den Fichtelberg war ganz angenehm. Wo sich die Kurven in den Berg schmiegten, hörte man verheißungsvoll den Lautsprecher. Und man blickte über die blühenden Wiesen am Fichtelberghang: pinkfarbenes Weidenröschen, gelbes Fuchskreuzkraut und hie und zartblaue Disteln, dazwischen allerlei, was noch Blüte und Farbe gab. Ich blieb staunend stehen. Ein Tourenfahrzeug kam in dem Augenblick vorbei, dem mein Halt offenbar für das Vorbeikommen ganz recht war.

    Oben dann der liebevolle Ausruf: „Pfarrer Franz…!“ Da wartete auch Kathleen auf mich und mahnte mich, ich sollte mich sofort warm anziehen. Danke. Zwar ließ ich noch ein paar Minütchen verstreichen, ich war also nicht aufs Wort „gehorsam“. Ich wollte ein wenig die Feuchtigkeit abdampfen lassen, aber rechtzeitig vor dem Absinken der eigenen Fahrthitze zog ich mir die gelbe Windjacke über. Kathleen hätte ja gerne noch mal das Lied im Ganzen von mir gehört. Das war nun auf dem Zielplateau nicht möglich. Aber sie bedankte sich, dass ich die Zeile des Refrains ins Mikro gesungen hatte: „Aber die Hübeltour rollt!“ Cirka 1.957 Steigungsmeter und etwa 80 km hatte ich bewältigt.

    Auf dem Berg gab es die Überraschung mit der Plakette: 4 M H. Sehr schön! Für mich gab es noch eine ganz besondere Überraschung: Vor mir stand einer mit einer Flasche Fiedler! Ein isotonisches Getränk! Ich war sehr berührt. Etwas hilflos stand ich da, rechts den Tee, links das Fiedler in der Hand. Kathleen nahm mir das kurz ab, damit ich das Mikro nehmen konnte, um zu widersprechen, dass ich der letzte sei, meine Abkürzungen zu gestehen und „die Hübeltour rollt“ zu singen. Dann suchte ich in der Menge nach diesem netten Fiedler Freund, doch er war spurlos vom Erdboden verschwunden. Keine Chance, ihn noch mal anzusprechen. Ich erkenne manchmal Leute nicht gleich wieder. Vielleicht stand er noch irgendwo, vielleicht gar vor mir in einer Gruppe. Leute, die ich fragte, wussten gleich gar nichts, denn diese ungewöhnliche kleine Szene hatte kaum einer mitgekriegt.

    Das Fiedler schickte ein Herr, der mich schon 2011 spontan an der Wellenschaukel mit dem Rest seiner Flasche erfrischt hatte. Er war mit jenem, der mir heuer oben das Fiedler überreichte, am Start vor der jetzigen Tour (oder schon beim Stadtfest am Samstag?) auf mich zu gekommen. „Hallo, erinnerst du dich noch an das isotonische Getränk?“ Und wie ich mich erinnerte! Damals, vor vier Jahren! Auf den letzten Metern, wo die Wellenschaukel noch mal steil ansteigt und der Belag zu groben Steinen wechselt, da kam er den Berg herab, kam neben mich, winkte mir mit dem Rest in der Flasche anerkennend zu. Ich aber rief: „Das ist gemein, wenn du mir so ein isotonisches Getränk unter die Nase hältst!“ „Willst Du?“ Ich wollte und die Flasche war leer. „Und jetzt kommst du vom Fleck?“ sorgte er sich ungläubig um mein Fortkommen. Mindestens 10% Steigung und loses Material – aber meine Smart Sam Reifen griffen, kein Stein verschob sich… An all das erinnerten wir uns und lachten. Und nun hatte ich eine Flasche Fiedler in der Hand, passend zum Trikot. Wo er das aufgetrieben hatte? Danke. Ich habe es gut vertragen.

    Thomas Jakobi, nun nicht mehr mit dem schwersten Rad unterwegs, hatte über eine Stunde auf mich gewartet und natürlich ein Bild von mir gemacht. Wir hatten am Samstag einige Zeit miteinander verbracht. Meine Nudeln aß ich im Gespräch mit Jörg Schurer, Startnummer 25 (sofern ich hier nicht Unterwegsbekanntschaften verwechsele). Dann der Schwatz mit den Sängersportlern in der Gaststätte, aber nur kurz, denn mir war nahezu unangenehm warm, ich wollte mich dort nicht festsetzen, anders als in den früheren Jahren. Wärme wollte ich erst in der Sauna genießen. Auch dort noch mal ein Plausch im Adamskostüm mit Insidern. Es ist so schön, nach der Tour zusammen zu sitzen und zu schwätzen mit den „Leidensgenossen“.

    „Leidensgenossen“! Ich gestehe, dass mir dieses Jahr die Tour echt schwer gefallen ist und ich das auch nachher zu spüren bekam. Zwar war ich am Montag problemlos nach Cranzahl geradelt, kein Wehwehchen in den Muskeln, aber dann am Dienstag hatte ich echt schwere Beine und Muskelkater in Wade und Oberschenkel. Aber Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps - ich hatte wegen neuer Aufgaben im Beruf keine Chance wie in den früheren Jahren das Vierteljahr zuvor in die Berge zu fahren. All die schönen kühlen Tage im Mai, im Juni und im Juli vergingen mit Terminen fest in Leipzig angebunden. Und die vier Mal in den heißen vierzehn Tagen vor der Tour – die waren sicher nicht umsonst, aber eben zu spät. Vier-Hübel-Tour aus dem Stand. O.K. . Noch mal an alle ein herzliches Dankeschön für die Organisation, die Gestaltung, die Begleitung und Nachbearbeitung der Tour. Ihr habt uns wieder zu schönen Stunden, ja zu einer schönen Zeit im Leben verholfen.

    Mit herzlichen Grüßen Pfarrer Franz

    Pfarrer Franz
  • Thomas Jacobi

    "Geänderte Strecke - (fast) gleiches Wetter" von Thomas Jacobi

    Wie in den letzten Jahren hatte ich mich schon lange auf die Vier-Hübel-Tour gefreut. In diesem Jahr war die Vorfreude sogar größer, da lange nicht Zeit der genaue Streckenverlauf nicht feststand. Und was soll ich sagen? Die Organisatoren haben eine richtig Klasse Arbeit geleistet und einen Streckenverlauf gewählt, der meiner Meinung nach auch so bleiben könnte. Am Anfang etwas ungefährlicher, da der Stümpelweg und somit die Kurven entfielen, dafür aber eine richtige "Rennstrecke". Dieser Teil verlief dann ab Kretscham analog dem Stoneman. Das Ende hatte wohl so mancher unterschätzt. Zunächst dieser fürchterliche Split, der einem das Blut aus den Beinen zu saugen schienb und ganz zum Schluss die - wenn auch kurze -so doch ziemlich steile Rampe. Und die war richtig von zuschauern umsäumt. Einfach herrlich, diese letzten Meter da zu genießen - wenn man es noch konnte. ;-)

    Nun aber der Reihe nach. Bereits am Samstag traf ich mit meiner Tochter Manuela in Oberwiesenthal ein, wo wir uns mit Pfarrer Franz Scharfenberg trafen und der uns dann bis hinauf zum Waldeck begleitete. Bereits hier durfte ich mir die neue Vier-Hübel-Tour-Hymne von Pfarrer Franz zu Gemüte ziehen. Einfach Klasse, dieser Mann. Was er für ein Lied geschrieben hat, konnten dann 10 Minuten vor dem Start alle Teilnehmer der Tour live von ihm selbst hören und es gab verdientermaßen einen Riesenapplaus. Danach erfolgte der Start. Das Wetter ließ sich zunächst gut an. zwar etwas nebel über den Bergen, aber trocken und milde Temperaturen.

    Ich testete gleich am Start meine kleine Cam am Lenker und sie funktionierte. Dies sollte sich auch trotz Dauerregens bis ins Ziel nicht ändern. Der Regen setzte ein, als ich ca. 11:30 Uhr auf dem Pöhlberg ankam. Da aber die Temperaturen angenehm waren, war das nicht störend, obwohl es zwischendurch richtig kübelte. Einmal nass, hat man sich schnell daran gewohnt - zumindest ist das bei mir so.

    Bis hinunter zum Unterbecken machte ich erst einmal richtig Dampf, was bei mir heißt, dass es kaum Pausen gab. Die erste etwas größere dann beim Oberbecken. Ihr wisst schon: wegen des leckeren Haferschleims. ;-)

    Die Abfahrt hinunter zum Ephraimhaus musste ich fast blind fahren, da ich meine völlig verdreckte Brille meiner Tochter an der Auffahrt zum Oberbecken übergab. Sie machte bei diesem Mistwetter herrliche Fotos und auch Videos, die ihr euch zu Gemüte führen könnt. Ich habe sämtliche Bilder in verschiedenen Alben hochgeladen, so bei facebook und bei google. Hier in diesem bericht habe ich mal die Links zu den google-Alben angegeben.

    Zurück zum Ephraimhaus. Wie jedes Jahr geht danach die Tour erst so richtig los, denn jetzt geht es hoch zum Hundsmarterflügel und über diesen weiter zum Pfahlberg. Trotz Dauerregens fühlte ich mich blendend und kam auch gut voran. Zwar "verlor" ich durch Video und Fotos aufnehmen immer mal etwas Zeit, aber ich wollte ja eh nicht gewinnen. ;-) Nach dem Pfahlberg eine rasante Abfahrt und dann die letzten Kilometer. Und hier wurde es dann richtig giftig. Ab dem Körnerweg bis hin zur Ausrücke hatte man ordentlich gestreut. Und zwar so viel, dass man fast da drin stecken blieb. Das Zeugs schien einem das letzte Blut aus den Beinen ziehen zu wollen. Aber denkste! Es ging da durch und dann wurde es sogar noch richtig fluffig, bis der letzte Anstieg kam. Obwohl schon vom Regen fast aufgeweicht, war ich noch immer gut drauf. Und die letzten Meter waren gigantisch. Diese Zuschauerkulisse war trotz des Sauwetters einfach nur Klasse. Allein schon deshalb fand ich diesen Schlussabschnitt als sehr gut gewählt.

    Im Ziel angekommen, die nächste Überraschung: es gab eine kleine Plakette aus Holz zur Erinnerung an diese Tour. Top! Diese hat nun einen Ehrenplatz bekommen. Da wir noch eine ganze Weile auf dem Fichtelberg blieben, erlebten wir auch jene Fahrerinnen und Fahrer, die sich als Letzte über die Hügel schleppten. Und auch denen sah man die Freude an, etwas Ungewöhnliches geschafft zu haben, wenn auch mit - wie von Pfarrer Franz eingeräumt - ordentlichen Abkürzung am Ende.

    Zudem erhielten der jüngste und der älteste Teilnehmer ein Präsent. Während ich die Übergabe dessen beim ältesten Teilnehmer (66 Jahre) auch im Bild festhalten konnte, verpasste ich die des Jüngsten. Aber die Leistung des 12jährigen Ruben Seemann konnte ich auch diesmal (nach der Grenzlandtour) wieder nur bewundern. begleitet von Papa Jens-Uwe schaffte dieser Junge die Strecke in 5:22 Minuten, wobei mich die Beiden unverschämterweise am Pfahlberg, als ich noch am Fotografieren war, überholten. Nutzte beiden aber auch nichts, ich kam elf Minuten später auch an. ;-)

    Auch diesmal möchte ich mich - wohl im Namen aller Teilnehmer - bei den Organisatoren und vielen Helfern, die bei diesem Mistwetter für uns ausharrten, ganz herzlich bedanken. Großartig auch die Streckenabsicherung. Es war wieder einmal eine sehr gelungene Tour - wer diese so wie ich als solche erlebt hat.

    Thomas Jacobi